Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

Tag 30

Fahrpausentag in Riga.
Es war nur schwer zu glauben, kontrollierte mein Wahrnehmungsvermögen vorsichtshalber mit einem Kniff ins Ohrläppchen, doch es fand wirklich statt. Ein Pärchen aus Oldenburg hatte soeben seinen Wohnanhänger vom PKW abgekoppelt. Der Fahrer stand nun neben dem Hänger, die Partnerin hatte die Hände in ihren Hosentaschen versenkt. Sonst war da niemand. Dennoch bewegte sich das hergeschleppte Urlaubshäuschen. Der Typ hatte eine Fernbedienung in der Hand und steuerte damit seinen Anhänger. Er rangierte ihn in die angepeilte Lücke auf dem recht vollen Campingplatz. Ein dezentes Summen deutete auf einen elektrischen Antrieb an den beiden Rädern. Nun gut, warum nicht. Noch einmal: Warum NICHT 🙂
Da braucht man nicht mehr die helfenden Campernachbarn und die damit verbundene kommunikationsöffnende Aktion, nein, da braucht es wohl heute nur noch die staunenden Blicke der bereits anwesenden.
Jannik ist heute früh in Richtung Vilnius aufgebrochen. Der Himmel ging auf, es wurde warm und sonnig.
Mein Weg führte in die sehenswerte Altstadt von Riga. Ein seltsames Gefühl, das Rad ohne Hänger und Gepäck zu bewegen. Da fehlt plötzlich etwas.
Zuerst suchte und fand ich einen Outdoorladen. Bei mir hatte sich während der kalten, nassen Tage, in Polen und auch hier, ein wenig Panik entwickelt, ob meine Ausstattung für die Weiterreise ausreicht. Bei 14 Grad -Außen, wie auch innen nass- konnte ich keine Pausen mehr machen. Es wurde mir viel zu schnell kalt. Das lag natürlich hauptsächlich an der, bis auf die Haut feuchten und somit nicht mehr isolierenden Kleidung. Die Auswahl im Shop war vorzüglich, sehr gute Beratung dazu. Ordentliche Regenjacke, wärmende Hybridfleecejacke als zweite shell und noch eine lange Fleecehose. Nun fühle ich mich deutlich sicherer vor schlechtem Wetter geschützt.
Riga ist eine alte Hansestadt. Wer Lübeck oder Bremen kennt, findet hier viele ähnliche Bilder. Im Baltikum ist Riga mit 700000 Einwohnern die größte Stadt. Heute, bei perfektem Wetter, wimmelt es von Touristen. Mag sein, dass die Inhalte der beiden dicken Kreuzfahrschiffe, welche hier in der Mündung der Düna festgemacht haben, einen spürbaren Beitrag an der Menge der von fähnchenbwehrten Guides geführten Grüppchen leisten.
Wer sich bei uns nicht traut: In Lettland darf man mit dem Fahrrad die Autobahn benutzen. Ob die linke Spur ebenfalls dazugehört, habe ich nicht verifiziert. Mit Hänger am Rad ist es möglicherweise auch nicht erlaubt.
Riga ist in Lettland die ideale Möglichkeit die enormen Unterschiede zwischen Land- und Stadtbewohnern zu erkennen. Vorausgesetzt sei die vorherige Befahrung des Landes.
Moderne, hochwertig gekleidete Menschen mit piekfeinen Autos der Oberklasse, wie bei uns in München. Auf dem Land teilweise übel vernachlässigte Häuser, im Zerfall befindliche Bauernhöfe mit Holzhäusern, bewohnt von offensichtlich ärmeren Menschen. Im Speckgürtel der Stadt die auffällig stark gesicherten nur wenige Jahre alten Villen.
Ein Monat und 2600 km liegen heute hinter mir. Die restliche Strecke zum Nordkap dürfte noch etwa 1600 km betragen. Gefühlt fängt das eigentliche Abenteuer in Finnland erst an. Liegt es an meiner Vorstellung, dass Finnland einfach nur „weit weg“ ist, oder sind meine Bilder von dem Land unterbelichtet ? Ich werde es sehen.

Das Schwarzhäupterhaus von 1334
Riga Innenstadt